Katamnestische Untersuchung abgeschlossener Individualpädagogischer Hilfen im Ausland
Auftraggeber
Das Projekt wurde mit Mitteln der Lotterie Glücksspirale gefördert.
Projektträger
Träger des Projekts war der Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen e. V. (BvkE).
Die operative Durchführung des Projekts lag beim Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ).
Laufzeit
Die Laufzeit des Projekts betrug 1 Jahr (1.5.2013 – 30.4.2014).
Projekthintergrund
Im Zeitraum 2008-2010 haben BVkE und IKJ gemeinsam die von der Stiftung „Aktion Mensch“ geförderte Studie „InHAus – Individualpädagogische Hilfen im Ausland: Evaluation, Efffektivität, Effizienz“ durchgeführt, in der individualpädagogischen Auslandsmaßnahmen insgesamt eine hohe Effektivität und Effizienz nachgewiesenwurde. Die Ergebnisse dieser Studie beziehen sich allerdings nur auf die Zeit des Auslandsaufenthalts. Die Entwicklungen der erfassten Jugendlichen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland konnten in der zeitlich begrenzten Studie nicht hinreichend dokumentiert und analysiert werden. Diese Informationslücke in der empirischen Forschungslandschaft sollte mithilfe der geplanten Studie „InHAus 2.0“ geschlossen werden, indem für eine aussagekräftige Anzahl junger Menschen deren Entwicklung in der Zeit nach Beendigung ihres Auslandsaufenthalts untersucht wurde.
Projektauftrag
Mit der katamnestischen Untersuchung der individualpädagogischen Hilfen im Ausland sollte die individuelle Entwicklung von jungen Menschen nach Abschluss ihrer individualpädagogischen Auslandsmaßnahmen mit wissenschaftlichen Methoden dokumentiert und analysiert werden. Dabei sollten sowohl „harte“, objektive Daten (Effects) als auch von den Jugendlichen subjektiv empfundene Einschätzungen zu Abläufen und Effekten (Impacts) berücksichtigt werden. Die Einschätzung zur individuellen Entwicklung bezog sich dabei im Wesentlichen auf die folgenden drei Bereiche
- Berufliche Bewährung
- Sozialbewährung
- Legalbewährung
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung sollen eine empirisch-fachliche Argumentationsgrundlage liefern, um eine fundierte Beurteilung langfristiger Wirkungen individualpädagogischer Hilfen im Ausland zu ermöglichen.
Beteiligte
An der Studie haben sich die folgenden zwölf Einrichtungen beteiligt und Kontakte zu ehemals im Ausland betreuten jungen Menschen ermöglicht:
- Christophorus Jugendwerk, Oberrimsingen
- Coccius – Sozialpädagogische Projekte Gbr, Leimen
- Don Bosco Jugendwerk, Bamberg
- EVIM Jugendhilfe, Wiesbaden
- Haus Mutter Rosa, Wadgassen
- Kinderwohl – Hilfen für junge Menschen e. V., Düsseldorf
- Martinistift gGmbH, Nottuln
- Projekt Husky, Obernkirchen
- Schloss Dilborn, Brüggen
- St. Vincenz-Jugendhilfezentrum, Dortmund
- Stiftung Leuchtfeuer, Köln
- Wellenbrecher e. V., Dortmund
Ergebnisse
Mit der Studie wurden Informationen von insgesamt 80 jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 28 Jahren (MW = 19;8 Jahre) über ihre Zeit nach Beendigung ihrer individualpädagogischen Hilfe im Ausland gesammelt und statistisch ausgewertet. Dabei wurden sowohl bei den jungen Menschen selbst als auch bei pädagogischen Fachkräften aus den teilnehmenden Jugendhilfeeinrichtungen schriftliche Befragungen durchgeführt. Diese beinhalteten zum einen retrospektive Einschätzungen zur Situation bei Beendigung der Auslandshilfe und zum anderen prospektive Beschreibungen der aktuellen Situation der jungen Menschen.
Die untersuchte Klientel weist bei Beendigung ihrer Hilfe im Ausland trotz der weitestgehend positiv und als sehr wirksam beurteilten Maßnahmen in vielen Bereichen immer noch kritische Entwicklungsstände auf. Ihre Ressourcen sind bereichsübergreifend unterdurchschnittlich entwickelt und die Symptombelastung fällt mit durchschnittlich knapp zehn unterschiedlichen psychischen bzw. psychosozialen Problemlagen sehr hoch aus. Dementsprechend ist bei den untersuchten jungen Menschen von einem hohen Nachbetreuungs- bzw. Unterstützungsbedarf auszugehen. Diese Unterstützung wurde in 80 % der untersuchten Fälle durch eine nachsorgende Jugendhilfeeinrichtung realisiert. Dabei wurde die Nachbetreuung in den meisten Fällen durch dieselbe Einrichtung organisiert, die auch schon für die Hilfedurchführung im Ausland verantwortlich war.
Die schulische Situation der jungen Menschen, die bereits bei Abschluss der Auslandshilfe positiv ausfiel, hat sich im Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch einmal deutlich verbessert. Insgesamt haben 78 % einen Schulabschluss erreicht und weitere 12 % befinden sich noch in einer schulischen Ausbildung, so dass für lediglich 10 % eine kritische Situation ohne Abschluss und ohne aktuellen Schulbesuch zu verzeichnen ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der besonders schwierigen schulischen Situation der jungen Menschen vor Beginn ihrer Auslandshilfe als enormer Erfolg zu bewerten. In der Fortführung der beruflichen Laufbahn zeigen sich dagegen deutliche Probleme: So befindet sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung knapp die Hälfte der befragten jungen Menschen trotz noch nicht erlangten Berufsabschlusses nicht in einer entsprechenden Ausbildungsmaßnahme. Mit 12 % fällt die Arbeitslosenquote dann auch rund doppelt so hoch aus wie allgemein in diesem Alterssegment in Deutschland. Vor dem Hintergrund der extrem kritischen Bildungssituation der jungen Menschen im Vorfeld der Hilfe im Ausland ist die Tatsache, dass sich 60 % von ihnen aktuell in einer berufsbezogen unkritischen Situation (entweder in Ausbildung oder in einem festen Arbeitsverhältnis) befinden, allerdings dennoch als sehr positiv zu bewerten. Die berufliche Bewährung der jungen Menschen kann demzufolge als weitgehend gelungen bezeichnet werden.
Im Hinblick auf die Sozialbewährung zeigen sich ebenfalls in etlichen Untersuchungsbereichen positive Entwicklungen: Z. B. zeigen die individuellen Beurteilungen der pädagogischen Fachkräfte sowohl zu Ressourcen als auch zu Problemlagen im Bereich der sozialen Interaktion der jungen Menschen signifikante Verbesserungen für die Zeit nach Abschluss der Hilfen im Ausland. Die dabei bis zum aktuellen Zeitpunkt im Schnitt erreichten Kompetenzen liegen in einem altersgemäß nahezu normalen Entwicklungsbereich, so dass für den weiteren Lebensverlauf von einer positiven Weiterentwicklung der sozialen Reintegration auszugehen ist.
Die Untersuchung der Legalbewährung zeigt im Vergleich zu anderen Studien, in denen Rückfallquoten straffälliger junger Menschen analysiert wurden, insgesamt weitgehend positive Ergebnisse: Laut Angaben aus dem Bundeszentral- bzw. Bundeserziehungsregister wurde gegen rund die Hälfte der jungen Menschen (56 %) seit Beendigung ihrer Hilfe im Ausland wegen einer begangenen Straftat polizeilich ermittelt. Der Anteil der zu einer Freiheits- bzw. Arreststrafe verurteilten jungen Menschen fällt dabei mit lediglich rund 13 % der Gesamtstichprobe zum Teil erheblich geringer aus als in anderen Untersuchungen mit vergleichbarer Klientel.
Die subjektive Einschätzung der jungen Menschen zu ihrer Gesamtsituation stellt sich für die Zeit nach Abschluss der Hilfe im Ausland äußerst positiv dar: Knapp 80 % geben an, dass ihre persönliche Situation nach Beendigung der Auslandshilfe besser war als vor deren Beginn. Insgesamt wird den durchgeführten Auslandshilfen sowohl von Seiten der jungen Menschen selbst als auch durch die pädagogischen Fachkräfte eine hohe Wirksamkeit im Hinblick auf die langfristige Entwicklung der betreuten Klientel bescheinigt.
Publikationen
Zum Abschluss des Projekts ist im Lambertus Verlag ein Buch mit dem Titel „InHAus 2.0 – Individualpädagogische Hilfen im Ausland und ihre Nachhaltigkeit“ erschienen (ISBN 978-3-7841-2831-3). Darin werden die Ergebnisse des Projekts umfassend dargestellt.
Klein, J./Macsenaere, M. (Hg.) (2015). InHAus – Individualpädagogische Hilfen im Ausland: Evaluation, Effektivität, Effizienz. Freiburg: Lambertus. ISBN 978-3-7841-2045-4.
Eine Zusammenfassung der zentralen Projektergebnisse können Sie hier herunterladen.