Fachtagung „Licht- und Schattenhelden“

Wirkungsvolle Hilfen für Kinder von psychisch kranken und suchtbelasteten Eltern waren das zentrale Thema der Fachtagung „Licht- und Schattenhelden“.

Die Organisationen BVKE, IKJ, KBK-EFL und Deutscher Caritasverband luden am 06.11.2019 in Frankfurt am Main zur Fachtagung ein. Rund 80 Fachkräfte aus der Erziehungs- und Familienberatung, der Suchtberatung sowie weiterer Professionen wurden begrüßt.

Nach der Begrüßung durch den BVkE-Vorstand Stefan Leister betont auch Anna Leider vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf im Rahmen ihres Eröffnungsvortrags die Notwendigkeit, sich dieser Zielgruppe mit familienorientierten Interventionen zuzuwenden. In ihrem Vortrag ging sie auf die „Belastungen, Resilienzen sowie Interventionen und Wirkfaktoren bei Kindern psychisch kranker Eltern“ ein. Als möglichen Interventionsansatz stellte sie CHIMPs – Children of mentally ill parents – vor. Dieser wird nach einer ersten Evaluationsstudie seit Oktober 2019 in einem deutschlandweiten Projekt an 20 Standorten implementiert.

Anschließend stellten Prof. Michael Macsenaere, Jens Arnold und Monika Feist-Ortmanns vom Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ) in Mainz die Ergebnisse der Wir.EB-Studie sowie des Modellprojektes „Chance for Kids“ des Diözesan-Caritasverbands für das Erzbistum Köln vor. Prof. Macsenaere betonte dabei die grundsätzlich bemerkenswerte Wirksamkeit von Erziehungs- und Familienberatung, die in 80% der Fälle zu einer Verbesserung der Lebenssituation der beratenen Familien beiträgt. Die Evaluation des Modellprojekts „Chance for Kids“ zeigte aber auch, dass im Vergleich zur Regelversorgung durch zielgerichtete Hilfen nochmals deutlich höhere Wirksamkeiten erreicht werden können. So gelang hier nicht nur die Förderung der Kinder in signifikant höherem Ausmaß, sondern auch bei kinderschutzrelevanten Wirkungsdimensionen, wie etwa der Gewährleistung der Grundversorgung oder dem Schutz vor Vernachlässigung und Gewalt, konnten nochmals signifikant höhere Effekte erreicht werden.

In sechs Workshops wurden anschließend gelingende Beispiele aber auch Fallstricke multi- und interdisziplinärer Zusammenarbeit beleuchtet. Unter der Frage „Unsere Patienten haben keine Kinder, oder doch?“ stellte bspw. Eva Rettenbeck-Mertz gelingende Kooperationen von Psychiatrie und Erziehungsberatung vor, während Monika Feist-Ortmanns auch die theoretische Seite beleuchtete und nach Gelingensfaktoren und Herausforderungen bei systemübergreifenden Kooperationen suchte. Barbara Förster, Lilian Hölscher und Miriam Müller illustrierten in ihrem Workshop konkrete Beispiele für die gelingende Praxis im Rahmen des Modellprojekts „Chance for Kids“. Gelungene Kooperationen von Caritas-Sozialdiensten in Neuss waren Schwerpunkt des Workshops von Susanne Ricken, während Artur Geis Gruppenangebote für Kinder psychisch kranker Eltern der KJF Augsburg vorstellte. Jens Arnold beschäftigte sich in einem weiteren Workshop mit der Frage, wie die Praxis von den Ergebnissen der Wirkungsevaluation profitieren kann.

Zum Abschluss der Tagung holte Dr. Stefan Witte, BVkE Vorstand, die Teilnehmenden nochmals im Plenum zusammen. Dessen Resümee unterstütze die Forderungen des BVkE: Nur durch das Zusammenspiel bundespolitischer Lobbyarbeit und enger institutionalisierter Kooperationen vor Ort, kann es gelingen, Kinder und Jugendliche vor Armut, dem Herausbilden einer eigenen psychischen Störung oder dem Abrutschen in eine Suchterkrankung zu schützen.

Im abschließenden Fazit der abwechslungsreichen und vielschichtigen Fachtagung wurden insbesondere die Intensivierung und Formalisierung arbeitsfeldübergreifender Vernetzungen und Kooperationen sowie eine ausreichende Finanzierung als die wesentlichen „Stellrädchen“ bedarfsgerechter und passgenauer Hilfen für die Zielgruppe identifiziert.

In dieser Hinsicht besteht dringender Handlungsbedarf. Psychische Erkrankungen in Familien können ganze Familiensysteme prägen und das Alltagsverhalten stark beeinflussen. Aufgrund der Erkrankungen gelingt es den Eltern oftmals nicht, eine verlässliche Eltern-Kind-Beziehung herzustellen. In schwerwiegenden Fällen können Vernachlässigung bis hin zu Misshandlungen folgen. Vielfach übernehmen die Kinder Aufgaben von Erwachsenen (Parentifizierung). Dabei kommt die Entfaltung kindgerechter Bedürfnisse, wie z. B. der Umgang mit Gleichaltrigen und altersangemessene Freizeitaktivitäten, häufig zu kurz. Durch die vielfältigen Belastungen besteht für die betroffenen Kinder ein hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Obwohl in Deutschland Schätzungen zu Folge ca. vier Millionen Kinder betroffen sind, ist eine flächendeckende Versorgung derzeit noch nicht etabliert.

Impressionen von der Fachtagung